Feldscheunen verkürzten deutlich die Erntezeit
Man brachte das Getreide möglichst schnell vom Feld und fuhr es nicht mehr in die Scheunen auf dem Hofe ein
Die Jahrhunderte hindurch war es für die meisten Menschen in
Stadt und Land ungewöhnlich, sich ein paar Tage hindurch wirklich
satt essen zu können. Das „tägliche Brot“ wurde darum geschätzt
und geachtet. Noch vor reichlich. 100 Jahren erntete man höchstens
„das Zwanzigfache der Aussaatmenge und achtete so jedes Getreidekorn“.
Im Zuge der grundsätzlichen Veränderungen der Gesellschaft
im 19. Jahrhundert stiegen nicht nur die Erträge, auch die Feldarbeit
wurde intensiviert und die Arbeit schrittweise neuorganisiert. Man brachte
das Getreide .erst einmal möglichst schnell vom Felde und fuhr es
nicht mehr in die Scheunen auf dem Hofe ein.
Es wurde günstig; platziert und' an den Feldrändern entstanden
spezielle Lagerhäuser, . die treffen das Feldscheunen bezeichnet wurden.
Damit verkürzte sich die Erntezeit, während sich das eigentliche
Dreschen noch 'in gewohnter .Weise abspielte. Man drosch zunächst
weiterhin mit Flegeln und bis in das Frühjahr hinein. Dreschgöpel,
Dampflokomobile und schließlich Elektromotoren wurden als einander
ablösende Antriebsmittel eingesetzt. Gleichzeitig wurden mechanische
Maschinen zum schnellen, sauberen Drusch entwickelt und ständig verbessert
in den Feldscheunen eingesetzt.
Die Feldscheunen, unterscheiden sich von den überlieferten
nicht nur durch den neuen Standort, sondern vor allem durch ihre Konstruktion.
Die oft recht großen Gebäude haben nur flach geneigte glatte
Dächer und kaum Dachausbauten. Oft wurden sie mit .Pappdächern
gedeckt. Den Baustoff Dachpappe kennt man erst seit den Jahren um 1850.
Die Wand- und Dachkonstruktion waren hier zunächst fremd. Es
sind äußerlich betrachtet die süddeutschen Dachformen der
Pfettendächer und Billiglösungen. Am First, in der Mitte und
am Fuß der .Dächer liegen parallel zur Traufe die Pfetten, die
weit über :die Giebel vorstehen. Sie tragen die Sparren. Durch Zangen
wird der Feldscheunenbau in der Quere stabilisiert. Dazu dienen halbierte
Hölzer mit rechteckigen Querschnitten, die oft mit Stählteilen
verbolzt sind. Im Ganzem sind die Dachstuhle und Wände auf das konstruktiv
absolut Notwendige reduziert, weil man keine sehr lange Lebensdauer dieser
reinen, schmucklosen Zweckbauten plante.
Handwerklich sind sie alle solide ausgeführt, die Holzverbindungen
sind gewissenhaft „gezapft und wenn es nötig war, half man auch mit
stählernen Zugankern, die Bauten zuverlässig zu stabilisieren.
Den Feldscheunen ist es eigen, dass sie nach Lösungsschemen konstruiert
und statisch nach Tabellen berechnet wurden. Man krauchte keine Deckenlasten
zu berechnen, denn die Scheunen wurden von unten bis unter das Dach von
Anfang an voll auszudreschendes Getreide „gebanselt". Aber auch als leere
Scheunen mussten sie. Sturm und Schnee wiederstehen. Der Vorzug dieser
Feldscheunen Dachstühle liegt vor allem darin, dass sie stützenfrei
sind und beliebig genutzt werden können. Aus anderen Notwendigkeiten
als in ihren Ursprungsregionen haben sie hier weite Dachüberstände.
So kann man das Regen- und Spritzwasser von den hölzernen, Unterkonstruktionen
der reinen Fachwerk-Scheunen besser fern halten. Die hohen Fachwerkwände
dieser Scheunen wurden meist halb-ziegelstark ausgemauert, manchmal auch
nur von außen verbrettert.
Das Nutzen dieser Scheunen ging gut, solange sie dichte Wände
und Dächer und keine oder dichte Dachrinnen hatten. Es ist aber problematisch,
wenn an defekten Stellen der Dachrinnen Wässer konzentriert auf die
Erde spritzt. Ebenso ist es mit den Pappdächern. Wenn die nicht halbwegs
regelmäßig gepflegt werden, setzt der Verfall schnell ein und
steigert sich galoppierend. Sind die kleinen Löcher in den Dächern
nicht zu schließen, steht bald der ganze - leichte Bau nicht mehr.
Hinzukommt, dass es sehr schwer ist, die undichten Stellen im Dachbelag
genau festzustellen. Lm Grunde waren die Feldscheunen nach 1960 überflüssig;
funktionslos oder überholt. Die Technik der Getreideernte hatte sich
durchweg geändert. Sie findet seitdem mit großem Aufwand an
Technik gleich auf dem Feld statt und ist, nur noch die Arbeit weniger
Wochen. Wie. die meisten bäuerlichen Wirtschaftsbauten werde die Feldscheunen
- oft nach einer Zeit der Verwahrlosung - abgerissen, ohne dass sie als
Zeugen der landwirtschaftlichen Entwicklung Spuren hinterlassen.
Rudolf Priemer
Nachtrag:
Der Sturm Kyrill fegte auch Mitte des ersten Jahrzehnts des neuen Jahrtausends über Sachsen, was auch Spuren an der Feldscheune hinterließ. Sie war irreperabel geschädigt und wurde von der Familie Hörig aus Oelschütz abgerissen.
Foto: Kathleen Kramer